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  • AutorenbildMonia

Agilität ist nichts für Feiglinge

Wir haben ein neues Projekt. Wir brauchen eine:n Projektmanager:in. Ach nein, doch nicht, so arbeiten wir ja nicht. Aber was denn dann? Wer sagt denn jetzt was? Ach ja, wir selber. Aber wie? Vielleicht ein Projektplan? Oder Zeitplan? Oder irgendeinen Plan. Hilfe, irgendein Plan bitte.


So in etwa fühlt sich Agilität ganz oft an. Orientierungslos. Plötzlich ist alles anders. Die Welt hat sich verändert. Unser Produkt verändert sich, vielleicht auch drastisch. Unsere Stellenbeschreibungen müssen sich ändern, quasi über Nacht. Und das, obwohl es gerade so schön lief und irgendwie gemütlich ist. Und dann ist da niemand, der das für uns macht.




Wir erfinden die Organisation neu, regelmäßig. Immer wieder ein Start-Up. Immer wieder frisch.

Erst einmal klingt Agilität so schön logisch und rational, kreativ und sogar spaßig: die Welt verändert sich schneller, um reagieren zu können, müssen auch wir uns jederzeit schnell und flexibel an Veränderungen anpassen können. Klar. Das passt ja auch gut zu unseren Persönlichkeiten und Glaubenssätzen. Wir werden uns nie langweilen müssen. Wie schön. Wir werden uns nicht in starren Systemen verheddern. Wunderbar.


Doch dann ist er plötzlich da, der Tag, an dem es anders werden muss. Ganz anders. Schnell. Denn der nächste Auftrag ist eben ganz anders und die Welt hat sich gedreht.

Und wovon dann in allen Ratgebern wenig gesprochen wird, ist, wie schwer es ist, loszulassen.

Welch schmerzhafter Prozess es ist, wenn für das Neue Platz gemacht werden muss. Schließlich lieben wir das, was wir tun. Wir haben alles an dem ausgerichtet, es so gut wie möglich zu machen. Unsere Arbeitszeit ist erfüllt und gefüllt. Wir haben unsere Rollen gefunden, eine Form der Zusammenarbeit, die gut funktioniert, teilweise schwer erkämpft. Und jetzt, wo all die Anstrengung endlich Früchte trägt, soll sich alles ändern?


Nun heißt es, immer mit dem Blick auf das, was für die Organisation am besten ist, Rollen abzugeben. Nicht an andere, sondern ins Nichts, weil dafür keine Zeit mehr ist - und vielleicht auch nie wieder sein wird. Dafür kommen Rollen hinzu, von denen wir noch gar nicht absehen können, wieviel Arbeit es sein wird, ob wir es können, wie sie mit den Rollen der anderen verzahnt sind. Wir hoffen, beim ersten Anlauf alles gut aufgeteilt zu haben, die richtigen Entscheidungen getroffen haben, schnell in eine neue Stabilität zu gelangen. Natürlich ist das unrealistisch.

Die funktionierende Verzahnung wird sich erst im Laufe der Zeit entwickeln. Wie die Kaos-Piloten es formulieren: "wir bauen das Flugzeug, während es fliegt".

Wir geben für die Agilität vieles auf, das wir mit Mühe aufgebaut haben - im Außen an Herzensprojekten, im eingespielten Miteinander, im Innen. Immer wieder heißt es, die Komfortzone zu verlassen und mit beiden Füßen in die ungewisse Lernzone zu springen. Und dabei noch achtsam mit uns sein, denn gehen wir zu weit, landen wir in der Panikzone und sind nicht mehr arbeitsfähig.





Wir haben gelernt, dass unser Team bei agiler Überforderung eher in die Lähmung geht. Andere Teams fangen an zu rödeln wie die Irren und irgendwie alles gleichzeitig erledigen zu wollen. Wir starren uns ratlos an und verlieren unsere Kreativität. Kurz. Und diesen Moment der Trauer und der Orientierungslosigkeit, vielleicht sogar des kurzen Wunsches nach der perfekten Führungskraft (des gerechten Königs) scheinen wir jedes Mal zu brauchen. Vielleicht ist das auch der Cut, der notwendig ist, wenn die Organisation einmal ihre Orientierung ändert und sich irgendwie komplett neu erfindet. Wenn wir diese kollektive Starre jedoch einmal miteinander geteilt haben, dann erwachen die Geister wieder, die Panik schwindet und es geht ab in die nächste Runde... bis zum nächsten Agilitätscheck, der sicher schon um die Ecke wartet.



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