Wir haben eine Teamdepression. Wir starren auf Skype in die Kamera und wissen irgendwie nicht so richtig, was wir sagen oder tun sollen. Wir nehmen und geben uns den Raum für unsere innere Leere und Unsicherheit. Wir sagen das, was gerade alle sagen: „eigentlich geht es mir ganz gut“, während unsere Gesichter das Lächeln nicht finden. „Kann mal jemand einen Witz erzählen?“ hofft Jule auf ein wenig energetische Aktivierung. Ich kann nur einen Witz, den nie jemand lustig findet. Ich versuche es trotzdem. Niemand lacht. Darüber müssen wir dann doch kurz lachen. Dann starren wir wieder in die Kamera. Richtig trennen wollen wir uns auch nicht, wir brauchen einander, den Kontakt. Aber, mal ganz ehrlich, systemrelevant sind wir nicht.
Schließlich zeigt sich dann doch das Thema, um das es wirklich geht. Wir sind eine Sinn-geleitete Organisation. Unsere gesamte Arbeitsweise baut darauf, dass jede:r das tut, das sie gerade am sinnvollsten findet. Das Ganze aber unter dem Dach unseres Meanings / unseres Sinnsatzes: wir entwickeln Hilfestellungen für wertebasierte Organisationen. Fanden wir mal ganz toll, doch jetzt erscheint es uns als eine absolute Luxusaufgabe. Wir stehen für New Work in einer Zeit, in der Work ganz grundsätzlich in Frage steht. Wir stehen für eine Qualität von Arbeit in einer Zeit, in der viele Organisationen gar nicht wissen, ob es sie in ein paar Monaten noch gibt. Wir sind ein Luxusprodukt und kommen uns oberflächlich und überflüssig vor. Sollten wir weiterarbeiten oder unsere Zeit gerade in wichtigeres stecken? Natürlich könnten auch wir Organisationen helfen, im Home Office anzukommen. Machen wir auch wirklich gerne. Wir schreiben über unsere Plattform und sind bei allen Fragen am Telefon ansprechbar. Wir hatten Spaß, Fotos von uns selbst bei der Arbeit zu machen, vom Schlafanzug auf dem Sofa bis hin zu drei Bildschirmen im Luxusbüro ist bei uns alles dabei. Wir genießen unsere Vielfalt und stehen hinter dem, was wir tun und wie wir arbeiten. Doch dann wieder das große Aber… systemrelevant sind wir halt nicht.
Also trauen wir uns an die heilige Kuh, an das, das unveränderbar in unserer Verfassung verankert ist: unseren Sinn, unsere Werte, unsere Prinzipien. Und zu unserer Überraschung drehen wir uns einmal im Kreis und kommen wieder bei uns selber an: VVV steht über unserer Verfassung: Verbundenheit, Verantwortung, Vertrauen. Und wir stellen uns ebendiese Fragen: Wie können wir im Vertrauen bleiben, die Angst gerade nicht siegen lassen und so handlungsfähig bleiben? Wie können wir verbunden bleiben, in den Teams und untereinander, wenn doch alles auf Vereinsamung ausgerichtet ist? Und wie können wir Verantwortung übernehmen, für uns selbst, für die kollektive Gesundheit, für Gegenwart und Zukunft unserer Mitarbeiter:innen? Und plötzlich wird deutlich: wir haben einen Sinn. Die Fragen sind alle noch da, tatsächlich sogar noch eine Ebene tiefer. Wir werden keine Anleitungen rausgeben, davon gibt es genug. Wir werden weiterhin diejenigen aufspüren, die in der Oberlausitz wertebasiert arbeiten und sie virtuell in Kontakt zueinander bringen, vielleicht sogar im Second Life am Lagerfeuer. Nur so können wir uns gegenseitig dabei unterstützen, weiterhin in Verbundenheit, Vertrauen und Verantwortung unserem Sinn zu folgen. Wir sind vielleicht nicht systemrelevant, versorgen andere nicht mit Lebensmitteln und medizinischer Versorgung – aber wir sind systemmitgestaltend und werden diese Aufgabe weiterhin im Rahmen unserer kleinen aber sinnvollen Möglichkeiten sehr ernst nehmen.
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