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Emergenz - das Prinzip hinter Selbstorganisation

Wir haben oftmals das Problem, unsere Arbeitsweise glaubhaft zu erklären, weil sie gegen zwei Aspekte verstößt, die wir kulturell als Funktionsgrundlage von Organisationen definiert haben: 1) Es muss ein konkretes Ziel und eine Strategie geben und 2) um dorthin zu gelangen wird ein "Chef" benötigt.

Was wir aber in den letzten Jahren lernen, ist, dass diese Vorgehensweise für die Welt von heute viel zu langsam ist. (Lassen wir erst einmal beiseite, dass sie auch keinen Spaß macht und das Potenzial der meisten Menschen verschwendet.)

Bis die Organisation auf eine Bedrohung oder eine Chance reagiert hat, ist der Schaden bereits entstanden und wir müssen entweder sehr viel Zeit in Reparaturen investieren oder ganz aufgeben.


Und dann sehen wir uns die Tierwelt an und beobachten, wie Bienen, Ameisen, Vögel oder Fische in einem unglaublichen Tempo und perfekt abgestimmt reagieren. Jahrhundertelang haben wir versucht herauszufinden, wer denn der Chef ist und wie die Gruppe entscheidet, wer wann die Führungsrolle übernimmt. Bis irgendwann klar wurde: das ist die falsche Frage. Es gibt irgendeine magische Ingredienz, die dafür sorgt, dass Wesen (die einzeln oftmals sogar ziemlich unintelligent sind) Zugriff auf eine kollektive Intelligenz haben und adequat und fluide auf ihre Umwelt reagieren. Und diese magische Ingredienz heißt Emergenz, ein Prinzip, das allen komplexen Systemen zugrunde liegt.


Was genau tun denn dann die Fische? Nach momentanem Forschungsstand halten sie sich eigentlich nur an zwei Regeln: sie achten darauf, in einem Nähe-Distanz Verhältnis zu den anderen Fischen zu bleiben, entfernen sich nie zu sehr vom Schwarm und kommen nie zu dicht an einen anderen Fisch. Die zweite Regel ist noch simpler: sie bleiben in Bewegung. Dadurch, dass sich alle an diese Regeln halten, kann Emergenz (oder anders formuliert Schwarmintelligenz) ihre Wirksamkeit entfalten.


Dieses Prinzip der Emergenz liegt auch den Aktivitäten unseres Gehirns bzw. all unserer inneren Prozesse zugrunde:

Es gibt nicht diesen einen Chef oder diesen einen Botenstoff, der alles reguliert. Es gibt nur viele Teile, die sich verlässlich an ein paar Grundregeln halten und dann selbstorganisiert und "agil" mit so ziemlich allem umgehen können, was dem System so begegnet.

Und blickt man dann von außen drauf, ergibt sich sogar der Eindruck, dass ein bewunderswerter Masterplan existiert, denn das System fließt in eine natürlich Ordnung, die so viel schöner ist als alles, was eine Absprache oder eine Hierarchie je hätten organisieren können.


Auf diesem Vertrauen basiert unsere Arbeitsweise. Unsere Verfassung bestimmt sieben Regeln, an die wir uns so gut halten, wie wir irgendwie können und uns zu dieser elementar wichtigen Disziplin kontinuierlich ermutigen - denn wir sind noch nicht so super verlässlich wie die Fische. Und dann sehen wir der Magie zu, wie sie sich entfaltet und folgen dem, was sich dann zeigt.


Wir haben gelernt, dass wir darauf absolut vertrauen können und dass unsere kollektiven, emergente Intelligenz wirklich sehr viel größer, schöner und kreativer ist, als die Summe unserer fünf niedlichen Köpfe. Wir lernen aber auch immer wieder, wie grundlegend das Einhalten unserer Verfassung ist, denn sobald wir hier nachlässig werden, verliert die Working Evolutions einen Teil ihrer Kraft und wird angreifbar und orientierungslos.

Was bedeutet das für uns? Es gibt keine Mischform. Jede Organisation für sich muss beschließen, ob sie der Emergenz komplexer Systeme vertrauen möchte oder nicht.

Falls ja ist der nächste Schritt, sich ein überschaubares Regelset zu geben (wir sind mit sieben wahrscheinlich schon an der Maximalgrenze) und dann konsequent und diszipliniert jeden Tag verlässlich damit agieren. Ein wenig Kontrolle und ein wenig Strategie und ein wenig Leitung passt hier nicht rein, da es die Emergenz und damit die Kraft der Selbstorganisation entschärft. Wir würden das schlechteste beider Welten verbinden. (Oh weh, wenn ich mir nur vorstelle, dass in meinem Hirn plötzlich ein paar Neuronen Pinnwände aufstellen und Flowcharts malen, während sie zu den anderen sagen, organisiert Euch ruhig so lange weiter bis wir einen Plan haben...)


Ist das einfach? Überhaupt nicht. Wir alle müssen verlernen, was wir bisher über Arbeit dachten und was wir gewöhnt sind. Manchmal wäre ein Chef, der Schuld hat, schon auch nett. Außerdem geht es uns wie den Fischen, wir müssen immer in Bewegung bleiben, Lernen gehört zum Alltag. Aber lohnt es sich? Aus unserer Sicht, auf jeden Fall - denn wir dürfen Sinn stiften, für uns selbst sorgen und immer wieder über das Staunen, was da entsteht und was wir nie hätten planen können.





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