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Transparenz oder die Umsetzung von Empathie

Unsere Verfassung hat sieben Artikel und wir stellen fest, dass sich immer wieder eine in unser Gesichtsfeld rückt, damit wir uns mit ihr befassen und lernen können. Am Anfang haben wir uns hauptsächlich an den ersten drei Artikeln abgearbeitet, um zu lernen, gute individuelle Entscheidungen zu treffen. Im Moment ist es Artikel 7, die Transparenz. Da steht:

Transparenz von Informationen Als Grundlage für die beratene Entscheidung benötigen alle Mitglieder der Organisation Zugang zu allen Informationen. Hieraus entsteht eine Verpflichtung: relevante Informationen

online zur Verfügung zu stellen, sich aktiv alle relevanten Informationen zu organisieren und nicht darauf zu warten, dass diese “geliefert” werden.


Am Anfang haben wir uns hauptsächlich mit der Frage nach digitalen Lösungen befasst, bis wir auf Podio angekommen sind, weil wir dort mehr Freiheiten haben, unsere eigene Plattform basteln können. (Von Podio haben wir in einem anderen Post berichtet). Doch im Alltag des digitalen Arbeitens wird schnell deutlich, dass es gar nicht so interessant ist, welches Tool man nutzt.

Die eigentliche Herausforderung von Transparenz ist es, herauszufinden, welche Informationen die anderen von mir und über mich eigentlich benötigen.

Es ist das Wort RELEVANT in Artikel 7, das eigentlich spannend ist. Wenn ich alle Informationen einstelle, die die Welt jemals benötigen könnte, spamme ich die Organisation zu und lähme alle. Außerdem komme ich wahrscheinlich kaum zum Arbeiten, weil ich mit Hochladen von Informationen beschäftigt bin. Wenn relevante Informationen jedoch nicht wenigstens soweit zur Verfügung stehen, dass andere nachfragen könnten, beschränke ich die anderen in ihrer Arbeitsfähigkeit und kann mich dann nur ärgern, dass mich keine:r unterstützt.

Ich kenne aber keine einzige Organisation, die ein wirklich funktionierendes Informationsmanagement hat.

Informationsmangel und -flut zugleich sind überall Thema. Man kann es demnach nicht im Außen regeln, wir brauchen unsere Innenwelten, damit es funktioniert. Das Schlüsselwort ist Empathie, das bewusste Hineinversetzen in die Arbeitswelt meiner Mitgestalter:innen. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie alle etwas ganz anderes benötigen.


Ich zum Beispiel arbeite nicht in Pommritz sondern in Brandenburg in der Nähe von Frankfurt (Oder). Unsere digitale Plattform ist mein Hauptmotor der Verbundenheit (Artikel 4 übrigens). Was mir hier am wichtigsten ist, ist zu sehen, was die anderen tun, also welche Aufgaben sie bearbeiten. Mir geht es hierbei überhaupt nicht um Kontrolle, ich weiß, dass wir alle unser Bestes geben und der Working Evolutions mit besten Kräften dienen. Aber ich brauche diese Ankoppelung an den Alltag, ich will mich mitfreuen können, wenn etwas anstrengendes zu Ende geht oder Dinge in Gang gesetzt wurden, die große Konsequenzen für uns haben könnten. Aber ich will auch das Kleine miterleben, eben den Arbeitsalltag, den wir in einem gemeinsamen Büro so nebenbei mitkriegen würden.

Neben der Transparenz der äußeren Aufgaben brauche ich aber auch die Transparenz der Innenwelten. Wem geht es gerade wie? Wie steht es um die Arbeitsfähigkeit der anderen? Wer braucht gerade Entlastung und wer hat Kreativität im Überschuss und will mit mir spielen?

Für diese Transparenz nehmen wir uns, wenn wir uns treffen, viel Zeit, zumeist mit der Methode des Deep Listening. Wir suchen noch nach Möglichkeiten, das auch digital zu tun, haben einen eigenen Thread dazu eröffnet und auch mal ein Video spontan in die Kamera gesprochen. Eine richtige Lösung haben wir hier noch nicht, aber wir bleiben dran.


Was erwarte ich also von uns? Dass wir uns innerlich immer einmal wieder in die Arbeitssituation der anderen begeben und gucken, was sie eigentlich wirklich von uns gerade wissen.

Die wenigstens von uns wissen wirklich, was wir anderen über uns verraten haben, mit welchem realen Wissensstand sie mit uns zusammenarbeiten.

Wir haben beispielsweise die Tendenz zu denken, dass alle etwas wissen, dass wir mit nur einer Person besprochen haben. Irgendwie gehen wir auch davon aus, dass andere wissen, wie intensiv wir gerade an einem vermeintlich kleinen to-do arbeiten. Relevante Deadlines kennen doch sicher auch alle, schließlich sind sie ja wichtig. Und warum sich meine Prioritäten gerade verschoben haben, ist doch auch offensichtlich. Selten nehmen wir uns die Zeit, wirklich zu überlegen, was einzelne Kolleg:innen von uns benötigen, um arbeitsfähig zu sein - und stehlen so indirekt die Arbeits- und Lebenszeit anderer Menschen.

Transparenz funktioniert demnach nur, wenn ich aktiv empathisch bin und immer wieder versuche, so genau wie möglich zu verstehen, in welcher Informationsrealität sich die anderen bewegen.

Mich wirklich transparent machen erfordert nicht nur ein hohes Maß an Empathie mit den Anderen, sondern ebenfalls große Bewusstheit und Reflexion. Ich muss mitkriegen, dass sich Dinge verändern, nicht nur im Außen sondern auch in mir. Ich muss herausfinden, für wen das Wissen um diese Veränderungen relevant ist. Ich muss mich ggfs. in meiner Verletzlichkeit zeigen, in den Momenten (die wir alle haben), wenn meine Arbeitsfähigkeit durch ganz andere Verletzungen eingeschränkt ist. Selbst dann muss ich immer noch klar genug bleiben, um herauszufinden, welche Konsequenzen ein Ausfallen meinerseits auf andere hat und was ich organisieren, übergeben, informieren muss, um ein wenig abtauchen zu können. Ich muss in mir nach den Worten suchen, die andere benötigen, um zu verstehen.

So ist wahre Verlässlichkeit nicht, automatisch und pedantisch immer alles zu tun, was ich versprochen habe, sondern transparent mit dem umzugehen, was im Innen und Außen passiert, damit andere sich anpassen können.

Und wir haben gelernt: unser letzter Artikel ist nicht nur eine Vereinbarung darüber, auf welcher Plattform wir To-Do-Listen führen, sondern basiert auf einem tiefen Miteinander und stellt einen machtvollen und herausfordernden Motor der persönlichen Entwicklung dar.




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