Mein Job in unserem Team ist es, unsere Verfassung zu hüten. Ich werde also aktiv, sobald ich das Gefühl habe, dass eine unserer sieben verbindlichen Absprachen in Gefahr ist. Oftmals folge ich da eher einem Gefühl als konkreten Indikatoren im außen. Dieses Mal habe ich aber einen Satz entdeckt, der mich beschäftigt: "Das können wir ja im Team besprechen".
Wir haben uns versprochen, sehr respektvoll mit der Zeit der anderen Teammitglieder umzugehen.
Wir wollen viel, sogar sehr viel kommunizieren, zeitnah und ehrlich, wenn wir auch nur im kleinsten bisschen merken, dass unsere Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist - aber eben immer nur mit den Personen, die es auch betrifft. Ich kenne keine Organisation, in der Teamsitzungen nicht auch ein leichtes Stöhnen auslösen, egal wieviel Mühe sich alle geben, es effektiv und fröhlich zu gestalten. Das liegt hauptsächlich daran, dass wir viel Zeit mit Themen verbringen müssen, die uns gar nichts angehen. Genau das wollen wir nicht. Wenn ich etwas brauche, ist es meine direkte und sofortige Verantwortung, es mir zu besorgen. Das bedeutet, ich muss kurz überlegen, welche Rollen betroffen sind und mit eben diesen Menschen in den Kontakt gehen. Alle anderen müssen davon nie etwas erfahren, sie haben ja genug Schönes zu tun.
Das ist alles so einleuchtend und alle stimmen zu. Doch warum zieht es uns doch so sehr dazu, Dinge im Team besprechen zu wollen? Mein Verdacht ist, dass wir Gesprächen aus dem Weg gehen wollen, die anstrengend sind. Vielleicht sind wir uns zu zweit gerade nicht einig und zu faul oder genervt, um uns da hin zu einer guten Lösung durchzuarbeiten. Dann lässt sich die Situation erst einmal exzellent mit der Bemerkung "das können wir ja im Team besprechen" auflösen. Vielleicht trauen wir uns aber auch gar nicht erst ins Gespräch, weil wir es uns in unserem Kopf eher als unangenehm ausmalen. "Das können wir ja im Team besprechen" schenkt uns hier die Sicherheit der Anderen, ich muss mich dem Gespräch nicht alleine stellen. Egal, welches Motiv ich habe, ein Gespräch ins Team zu verlagern ist kein demokratischer sondern ein egoistischer Impuls: ich mute anderen zu, sich mit meinen Konflikten oder Themen zu befassen, obwohl es sie eigentlich gar nicht betrifft - und das ohne sie vorher zu fragen, ob sie das überhaupt wollen. Dabei gäbe es so viele andere Möglichkeiten: wenn ich Unterstützung bei einem Gespräch benötige, kann ich ja im Team fragen, wer das freiwillig übernimmt; wenn wir bei einem Gespräch nicht weiterkommen, hilft immer der Blick auf die Rollen: wer entscheidet denn, wenn wir uns nicht einigen? Sprechen hier überhaupt die richtigen Personen miteinander? Will ich überzeugen oder weiß ich noch, dass ich nur beraten kann?
Wenn wir auf das Team warten, bedeutet das in allererster Linie zunächst nur eins: wir warten - und arbeiten nicht weiter.
Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass es nichts gibt, das ins Team gehört. Ich möchte damit nur sagen, dass es in meiner Verantwortung liegt, nur Dinge ins Gesamtteam einzubringen, die auch tatsächlich alle betreffen - und mir in allen anderen Fällen sehr zeitnah ein Setting mit genau den Personen zu organisieren, die davon tatsächlich betroffen sind und einen Beitrag haben.
Paradoxerweise gibt es auf der anderen Seite aber auch eine ganze Menge Themen, die durchaus das gesamte Team betreffen, dort aber lieber nicht besprochen werden.
Fragen rund um Gehälter beispielsweise sind wohl das Top1 Thema dessen, was lieber nicht im Team entschieden wird. Sich dazu positionieren zu müssen, wer und warum aus meiner Sicht mehr Geld verdienen sollte, gehört zu den Dingen, die ich dann doch lieber umgehe. Oder wenn das Geld knapp wird, ist es auch eine Teamfrage, wer dann am ehesten das Team verlassen sollte. Schließlich hat das wirklich direkte Auswirkung auf alle. In diesen Fällen wird dann aber doch der Wunsch nach Einzelgesprächen und Besitzer:innenentscheidungen laut.
Zusammengefasst erscheint es mir, dass wir das Team gerne zur Dilemmavermeidung nutzen: wenn Einzelgespräche anstrengend sind, soll das Thema ins Team, wenn Teamgespräche anstrengend sind, in die Hände einzelner. Das hat kein Team der Welt verdient. Ein Team ist so kostbar, die gemeinsame Zeit so wertvoll, es liegt an uns es zu pflegen und zu beschützen.
Deutlich wird nur immer wieder: verantwortungsvolle Kommunikation ist echt für Fortgeschrittene.
Diesen Moment des Bewusstseins einzuschieben, um herauszufinden, mit wem ich eigentlich jetzt schnell sprechen sollte... Für mich rauszufinden, was genau ich eigentlich will.... Mir noch einmal bewusst machen, aus welcher Rolle heraus ich beitrage, als Entscheider:in oder Berater:in.... und dann immer und immer wieder den Mut aufbringen, in die direkte Kommunikation zu gehen, ohne das sichere Versteck eines Teams oder eine:r Chef:in. Da verdienen wir es wirklich jedes Mal, uns stolz selbst zu feiern, wenn uns das gelingt.
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