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AutorenbildAnne

Wir müssen ernsthaft mehr lachen

Neulich fand ich mich in einem Skype-Austausch wieder, bei dem zwölf Expert:innen integraler Arbeit und vier New Work Erprobte (darunter ich) diese zwei Ansätze gegenüberstellten und deren Schnittmengen und Unterschiede diskutierten. Integrale Arbeit und New Work haben grundsätzlich gemeinsam, dass Arbeit zu Beginn neu definiert wird. Ich würde sagen, dass integrale Arbeit die Arbeit neu denkt und New Work die Arbeit neu umsetzt.


Integrale Arbeit orientert sich sich sehr stark am Ganzheitlichen. Haltungen, Lösungen, Denkansätze, Innovationen und der eigene Sinn in der (Arbeits-)Welt werden betrachtet, durchdacht und die Erkenntnisse auf die Handlungen und Entscheidungen übertragen.

New Work steht für digitale Lösungen und eine starke Orientierung am Prozess. Haltung und Kultur sind wesentliche Erfolgsmerkmale und das Tun steht eher im Vordergrund. Die Pole Denken und Tun stehen sich gegenüber: in unserer Skype Diskussion wird deutlich, dass das integrale Lager das Denken vor dem Handeln als sinnvoller und ganzheitlicher betrachtet, als sich in Prozesse, Ausprobieren und ggf. auch Scheitern hineinzustürzen. New Work ist nicht zu unterschätzen, aber durch seine diversen Strömungen und (tw. selbsternannten) Pionier:innen marktfähiger. Integrale Arbeit funktioniert nur mit einer gewissen Weisheit bzw. geistigen Reife, die man sich nicht mal schnell anlesen kann.



Deshalb sitzen in meinem Bildschirm zwölf Menschen über 50, die ein bisschen ernst schauen. Unser kleines New Work Lager besteht aus vier unter 30 Jährigen.


Wir nehmen fast schon eine Verteidigungshaltung ein, als der Tischkicker als New Work Werkzeug und Frédéric Laloux als einzig überzeugende Praxisanleitung angesprochen wird. Doch genau da ist der Gap: Integrale Arbeit ist immer unglaublich tiefgründig, ganzheitlich, bis zum letzten Ansatz durchdacht und niemals voreilig oder übermütig. New Work kann das auch, aber hat eben genauso viele oberflächliche, einfach zu verstehende, spielerische und einzeln adaptierbare Ansätze, die den Einstieg erleichtern. Das erklärt auch den Altersunterschied der New Work bzw. integralen Fraktion.


Als wir nach einer Stunde Diskussion zu keinem (ganzheitlichen) Ergebnis kommen, ist unser New Work Lager zufrieden, weil wir viel gelernt haben und auch das schon ein Ergebnis ist, das integrale Lager eher unzufrieden, weil eine Stunde zu kurz und zu oberflächlich erschien. Die letzte Wortmeldung im Diskurs geht an eine Frau unter 30. Sie schweigt kurz, überlegt, und fragt dann direkt in die Kamera:

"Kann integrale Arbeit eigentlich noch lachen?"

Verdutzte Blicke, rausgerissen aus der Tiefgründigkeit: ja, tatsächlich lachen jetzt die meisten in unserer Runde. Aber das hätten sie wahrscheinlich nicht getan, wenn nicht jemand aus dem Muster ausgebrochen wäre. Die Lehre des Buddha besagt, dann man alles, was man in sich aufnimmt (Gedanken, Wissen, Gefühle etc.) nicht im Geiste speichern, sondern in gleichen Teilen geordnet wieder an die Außenwelt abgeben sollte (Handlungen, Dinge schaffen und erproben, Austausch). Die Frage, wo der Spaß bleibt, war in diesem Fall das richtige Ventil und alle Teilnehmer:innen geben in der Abschlussrunde ein Feedback, mit welchem wir wirklich weiter arbeiten können.


Bei uns im Team zeichnen sich ähnliche Muster ab - es gibt die Ernsthaften, die Nachdenklichen, die Zögerlichen, Planenden, die Denker:innen und die, die unglaublich viel Wissen in kürzester Zeit sammeln, ordnen und umwalden können. Auf der anderen Seite die, die gern ausprobieren, zu jedem Teamtag ein lustiges Gadget mitbringen, alles neugierig auf sich zukommen lassen, auch mit Legosteinen Prozesse denken, oft seltsame Teambuilding Methoden mögen, oft erst handeln, als zu denken oder beim gemeinsamen Yoga einen Lachflash bekommen. Diese Mischung ist nicht personell getrennt, sondern jede:r von uns hat einen integralen und einen New Workigen Teil inne - mal mehr von dem einen, mal mehr von dem anderen.


Schlussendlich ist es wie im Buddhismus - Askese und Überfluss, Innen und Außen treffen sich in der Mitte. Das sollten integrale Arbeit und New Work auch tun. Getrennt kann man das Ganze wahrscheinlich real auch kaum mehr betrachten - denn dabei verliert man entweder den Spaß oder die Nerven.



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